17. November 2013
Es klingt düster und bedrohlich, was Jesus im heutigen Evangelium sagt. Warum tut er das? Will er uns Angst machen? Das ist doch nicht sein normaler Stil. Im Gegenteil: Er will immer Hoffnung und Freude, Liebe und Gerechtigkeit, Lebenskraft bringen. Wäre das aber nicht zu einseitig, ja sogar unrealistisch? Das Leben, die Welt ist oft ganz anders. Das erfahren wir im eigenen Leben und in der großen Welt.
Jesus befindet sich im Tempel zu Jerusalem. Das muss tatsächlich ein imponierender Gebäudekomplex gewesen sein, prächtig zum Anschauen. Die Leute staunen und sind voller Bewunderung. Jesus leugnet diese Schönheit nicht, will aber auf die Vergänglichkeit aller Schönheit hinweisen: „Es kommt die Zeit, dass kein Stein auf dem anderen bleiben wird.“ Ungefähr fünfzig Jahre später, in den 80er Jahren, erinnert sich der Evangelist Lukas an diese Worte Jesu. Es ist inzwischen viel passiert: 70 n. Chr. haben die Römer die Stadt Jerusalem und diesen prächtigen Tempel dem Boden gleich gemacht. Das war wie der Weltuntergang für die damaligen Menschen. Der Evangelist sieht diese Katastrophe in einer Reihe mit anderen Katastrophen wie Erdbeben, Hungersnöten, Bürgerkriegen, familiären Auseinandersetzungen. Auch die Christen haben das erlebt. Sie wurden zerstreut, verfolgt, vor Gerichte geschleppt und getötet. Für sie sind die Worte Jesu über die Vergänglichkeit und Vorläufigkeit aller Dinge, ja des Lebens selbst, eine alltägliche Realität, mit der sie leben müssen.
Ist das heute für uns anders? Wir staunen über die Ergebnisse unserer Kultur und über das, was Menschen alles zustande bringen. Technik und Elektronik wirken wie Wunder. Wir genießen unseren Wohlstand und die Dinge des Lebens. Und das ist schön. Aber das darf uns nicht blind machen für die andere Seite. Tagtäglich erfahren wir auch durch die Medien über Kriege, Hunger, Naturkatastrophen, Seuchen. Millionen Menschen erleben ihren Weltuntergang. Und auch in unserer Zeit sind Situationen von Verfolgung und Lebensbedrohung von Christinnen und Christen in vielen Teilen der Welt eine Realität. Sie werden umgebracht und ihre Kirchengebäuden niedergebrannt. Es gibt Länder, in denen man eingesperrt wird, wenn man in der Öffentlichkeit ein Ketterl mit einem Kreuz trägt. Festnahme, Verfolgung, Gefängnis, Hass, bis in die eigenen Familien und Freundeskreise hinein.
Wir können und dürfen all dies nicht verdrängen, meint Jesus. Vergiss nicht, dass du Mensch bist, dessen Jahre, Monate, Tage und Stunden gezählt sind. Du wirst einmal nicht mehr hier sein. „Des Menschen Tage sind wie Gras, er blüht wie die Blume des Feldes. Fährt der Wind darüber, ist sie dahin; der Ort, wo sie stand, weiß von ihr nichts mehr“, sagt ein Psalm aus der Bibel. Ist das Pessimismus?
Jesus will uns mit beiden Füßen auf den Boden holen. Alles ist vergänglich, sagt er. Und trotzdem dürfen wir vertrauensvoll in die Zukunft schauen. Trotz „Weltuntergangserfahrungen“ in der Welt und im eigenen, privaten Leben, dürfen wir zuversichtlich sein, denn Gott lässt uns nicht fallen. Entscheidend ist, „standhaft zu bleiben“, also unseren Glauben nicht zu verlieren, sondern mit Gott zu rechnen. Das Evangelium, die Botschaft von Jesus lautet: „Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen.“ Wir werden bei Gott leben. Jesus ist einer, der uns „erlöst“, der uns von tiefen Lebensängsten befreit. Der Glaube an einen Schöpfergott.... kann uns die Angst nehmen, in dieser Welt letztlich nichts und niemand zu sein. Christlicher Glaube ist ein Glaube gegen die Resignation, ein Glaube an den Sieg des Lebens – weil Gott uns mag und will, dass wir leben.
Der große indische Freiheitskämpfer Mahatma Gandhi hat einmal gesagt: „Der Glaube ist die Sonne des Lebens“.